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Wie entstehen Ideen?


Marvin Minsky, einer der großen Pioniere der Erforschung künstlicher Intelligenz hat einmal gesagt: "Creativity is a skill, and when we find out how it works, everybody can learn it – you just need the right information."

Das heißt, um kreativ zu sein, musst du dein Hirn füttern, denn nur was in deinem Kopf drin ist, kommt auch wieder heraus. Kurz: ohne Input kein Output – vor allem kein kreativer. Und das hat etwas mit Neurophysiologie zu tun, genauer: mit neuronalen Netzen. Aber dazu später mehr. Erst einmal nur soviel: Der Trick, den kreative Menschen beherrschen: Informationen sinnvoll miteinander verknüpfen, die scheinbar absolut nichts miteinander zu tun haben.

Zum Beispiel: Was haben ein Stier und ein Fahrrad miteinander zu tun? Für die meisten Menschen nichts. Pablo Picasso hatte diese Idee:

Sieht hinterher einfach aus, war es aber nicht, denn solche Ideen entstehen erst, wenn man sich mit einem Problem intensiv auseinandersetzt. Wie hier bei Picasso, für den der Stier ein zentrales Motiv seiner kreativen Arbeit war. Aber der Reihe nach ...

Die 10 Phasen kreativer Arbeit oder von der Information zur Idee.


Das Prinzip Kommunikationsdesign: Langweilige Informationen in interessante, ansprechende Botschaften umwandeln bzw. gestalten. Je origineller, ungewöhnlicher, überraschender diese Botschaft, desto kreativer ist die Arbeit eines Kommunikationsdesigners. Inspirations- bzw. Gestaltungsmaterial liefert der Kontext in dem Menschen, die angesprochen werden sollen, leben. Wichtig dabei sind die sog. individuellen (z. B. arm/reich; gebildet/weniger gebildet), ökonomischen (z. B. Boom/Krise), politischen (z. B. stabil/instabil), sozialen ( z. B. Ansehen/Stellung) oder kulturellen (z. B. Trend/Zeitgeist) Faktoren.

Phase 1. Einen Zeitplan erstellen.

Bist du auch der Meinung: Zeitdruck macht kreativ? Dann gehörst du sehr wahrscheinlich zu denjenigen, die zur Prokrastination neigen und diesen Mangel an Disziplin, Planung und Organisation mit: „So ist das nun 'mal bei kreativen Menschen!?" versuchen zu rechtfertigen.

Das Gegenteil ist der Fall: Kreative Arbeit muss gut organisiert werden, um gut zu werden. Ja, ich weiß, auch diese Regel hat Ausnahmen, aber es sind Ausnahmen! Wenn du professionell pünktlich und regelmäßig ein gutes (kreatives) Produkt liefern möchtest, solltest du dich nicht auf Ausnahmen verlassen.

Außerdem gilt: „Wer keine Zeit hat, muss so überlegt handeln, als habe er sie doch."

(Zitat: Erhard Eppler, ehemaliger Bundesminister)

Das bedeutet, ob du nur eine Stunde oder ein halbes Jahr Zeit hast, mach' erst einmal (d)einen Zeitplan und plane Zeiträume zum kreativen Arbeiten ein. Nutze dafür zum Beispiel deinen Onlinekalender und blockiere Termine für deine kreative Arbeit bzw. für die jeweiligen Phasen.

Meine Empfehlung: Kalkuliere für diese Phase 5 % deiner zur Verfügung stehenden Zeit ein (netto, das heißt, nach Abzug aller Termine und anderen Aufgaben (auch privaten!), die bis zur Deadline außerdem berücksichtigt werden müssen).

Phase 2. Das Problem beschreiben.

Hast du schon einmal „Heureka!" gehört? Das ist griechisch und heißt auf Deutsch „Ich hab's gefunden!". Überliefert ist dieser Ausruf von Archimedes, nachdem er das archimedische Prinzip entdeckt hatte. Seitdem steht der Ausruf für einen plötzlichen Einfall, dem allerdings eine sehr lange und intensive kreative Arbeit vorausging. Diesem Ausruf wurde eine eigene Wissenschaft gewidmet: die Heuristik.

Heuristik hat sehr viel mit Kreativität zu tun, denn es geht darum mit „weichem“, begrenztem Wissen Probleme zu lösen. Und das hat viel mit Versuch und Irrtum, mit ausprobieren und experimentieren, mit bewerten, aussortieren, kurz: mit kontrolliertem Zufall zu tun. Nichts anderes ist kreative Arbeit.

Die Heuristik geht zunächst davon aus, dass je klarer ein Problem erkannt und beschrieben wird, desto näher ist man an einer Lösung (= Idee).

Geprägt von der Schulzeit denken auch viele Gestalter/innen in "Aufgaben“, die irgendjemand stellt. In der Kreativwirtschaft werden Aufgaben – noch schlimmer – "Briefing“ genannt, auf Deutsch (kurze) Einsatzbesprechung, Einweisung, Unterweisung.

Mit dieser Bezeichnung ist man nicht mehr weit entfernt vom Begriff "Befehl“ und damit vom Befehlsempfänger bzw. Erfüllungsgehilfen und das ist – nomen est omen – alles andere als kreativ.

Deshalb, suche immer das Problem hinter der Aufgabe/dem Briefing, beschreibe es so genau wie möglich und stimme diese Problemdefinition mit allen Beteiligten ab.

Merke: Problembeschreibung statt Aufgabenstellung!

Auch für diese Phase solltest du 5 % deiner Zeit einplanen.

Phase 3. Ein Ziel bestimmen.

Diesen Punkt hatte ich bereits in Lecture 7 angesprochen, kann man aber nicht oft genug ansprechen, weil er wichtig ist: Kreative Arbeit braucht ein Ziel.

Setze dir eins! Aber nicht irgendein schwammiges wie „Für XY ein cooles Plakat typografieren" oder „Eine funktionierende Webseite für XY gestalten", sondern ein konkretes Ziel.

Zum Beispiel: „Die Partylocation XY am 30. April mit 700 Besuchern auslasten." oder „Für den Mischlingsrüden aus dem Tierheim bis Ende Mai einen neuen Besitzer finden." oder „10 % ABC Wähler sollen bei der nächsten Wahl lieber XYZ wählen." oder „Bei Kickstarter bis zum X.X.XX für das Produkt XY mindestens 10.000 Euro sammeln." oder „Die Bäckerei XY soll nächsten Samstag 1000 Brötchen mehr verkaufen." oder „Das Buch XY soll im nächsten Monat auf der Spiegelbestsellerliste stehen."

Kalkuliere für diese Phase ebenfalls 5 % deiner zur Verfügung stehenden Zeit ein (netto!)

Phase 4. Überblick verschaffen.

Zwischenschritt 4 A. Die erste Orientierungsphase:

Hier sind wir wieder beim Thema “Input". Du erinnerst dich? Nur was du im Kopf drin hast, kann auch dort verarbeitet werden und kommt als Idee wieder heraus.

Deshalb notiere zunächst alles, was du über das Problem bereits weißt. Recherchiere, welche Lösungsversuche es bereits gegeben hat. Frage dich, welche sind gut, welche schlecht und warum?

Nutze die Informationsquellen = Inspirationsquellen Produkt / Dienstleistung / Organisation / Unternehmen / Marke:

Warum ist das Produkt; die Dienstleistung; die Organisation, das Unternehmen beziehungsweise die Marke erfunden worden? Was macht das Produkt; die Dienstleistung; die Organisation; das Unternehmen beziehungsweise die Marke anders als andere, was macht sie besonders? Welche Geschichte steckt dahinter? Herkunft? Ursprung?

Und vor allem nutze die Informationsquelle = Inspirationsquelle “Mensch“:

Für wen ist das Angebot oder das Anliegen von Bedeutung? Was macht es für wen interessant? Warum?

Kennst du Menschen, für die das Angebot oder das Anliegen interessant ist? Dann sprich mit ihnen darüber und/oder beobachte, wie sie mit Angebot/Anliegen umgehen, wie sie darauf reagieren!

Welche Bedürfnisse haben sie? Was fehlt ihnen? Welche Einstellungen, welche Haltungen, Anschauungen haben diese Menschen? Was ist ihnen wichtig? Welche gefühlsmäßigen Bindungen haben sie zu andere Menschen/Gruppen/Organisationen etc.? Welche Probleme, Wünsche, Ziele?

Mach dir Notizen, bitte nicht copy`n`paste, mach' dir die Mühe die gesammelten Informationen selbst zusammenzufassen. Kurze Sätze oder Stichworte reichen. Du musst nicht mit der Hand schreiben, du kannst auch mit den Fingern tippen, wichtig ist, dass du denkst, zusammenfasst und schreibst.

Es spielt keine Rolle, ob du die Notizen später noch einmal liest. Kannst du machen, musst du aber nicht, denn wenn du schreibst beziehungsweise selbst formulierst, verfestigen und vor allem verknüpfen sich die einzelnen Informationen in deinem Gehirn. Und nur das ist wichtig!

Der Grund: Die Zellen in deinem Gehirn sind neuronal vernetzt. Neuronale Vernetzung ist besonders dafür geeignet Muster bzw. Zusammenhänge zu erkennen oder neue zu bilden, vor allem dann, wenn nur – und das hatten wir eben schon mal beim Thema Heuristik – weiche oder unvollständige Informationen oder wenig strukturiertes Wissen zur Verfügung stehen.

Konkret bedeutet das: Alle Informationen, die du zu einem Thema/Problem aufnimmst, werden permanent dahin gehend bearbeitet Muster beziehungsweise Zusammenhänge zu erkennen oder neue zu bilden, so entstehen die Ideen in deinem Gehirn und die müssen einfach nur raus.

Mehr dazu in Phase 5. Allerdings, noch ist Phase 4 nicht beendet!

Zwischenschritt 4 B. Die zweite Orientierungsphase:

Ab hier bist du schlauer, deshalb empfiehlt sich an dieser Stelle eine erneute Einschätzung der Problemstellung. Ist das Ziel noch richtig oder muss es geändert werden? Trifft es (noch) den Kern des Problems? Muss der Blickwinkel, die Perspektive geändert werden? Zum Beispiel vom Auftraggeberproblem zum Problem der Menschen, die dein Auftraggeber ansprechen möchte?

Welche Fragen sind noch offen?

Sammele noch mehr Informationen, schaufle dein Hirn voll. Lasse dich intuitiv oder von Google und den Verlinkungen leiten, drifte auch mal in andere Bereiche, die scheinbar nichts mit dem Problem zu tun haben, denn dann wird es interessant.

Kreative Lösungen finden sich vor allem in den Randbereichen oder sie finden sich in ganz anderen Bereichen.

Wie gesagt, dein neuronales Netz arbeitet fleißig vor sich hin und sucht oder bildet permanent mithilfe der zur Verfügung stehenden Informationen Muster bzw. Zusammenhänge und wenn es welche entdeckt oder noch besser: neue bildet, dann sind das Einfälle oder: Ideen!

Ein Beispiel gefällig!?

Kennst du August Kékulé (*1829 †1896)? Nein? Der war bestimmt mal ein Thema im Chemieunterricht als es um Kohlenwasserstoffe und Strukturformeln ging.

Strukturformeln sind Darstellungen, die Informationen darüber liefern, wie Atome und Moleküle verbunden und im Raum angeordnet sind, das ist für Chemiker sehr wichtig zu wissen, um mit einem Stoff arbeiten zu können.

Es gab damals einen sehr langen wissenschaftlichen Streit um die Strukturformel von Benzol, einem flüssigen Kohlenwasserstoff mit der Summenformel C6H6, die schließlich Kékulé nach langer und intensiver (kreativer) Forschungsarbeit entdeckte, als er das Bild einer Schlange sah, die sich in den eigenen Schwanz biss.

Die Chemieindustrie verbraucht heute rund 40 Millionen Tonnen Benzol jährlich, demnach muss Benzol und vor allem Kékulés gute Idee wichtig gewesen sein. –

Plane für diese Phase 15 % deiner Zeit (netto!).

ACHTUNG! ACHTUNG! SEHR WICHTIG!

Setze dir in deinem Zeitplan unbedingt eine Recherche- & Analysedeadline (!) und dann hörst du damit auf! Laß' den Griffel fallen! Konsequent! Ohne Wenn und Aber! Unabhängig davon, ob du noch was auf einer Liste stehen hast.

Recherche kann sich endlos ausdehnen und fühlt sich nach Arbeit an, ist aber noch nicht die, auf die es ankommt, deshalb besteht die Gefahr diese Tätigkeit zu lange auszuweiten und diese Zeit wird dir fehlen, für das, was jetzt kommt, nämlich das Wichtigste: die Entwicklung einer guten Idee.

Phase 5. Ideen entstehen lassen

Ab hier beginnt die eigentliche kreative Arbeitsphase. Lege Zeit und Raum fest. Länger als ein bis max. zwei Stunden ohne Pause kannst du nicht wirklich kreativ denken.

Vor allem gilt für diese Phase im wahrsten Sinne: in der Ruhe liegt die (kreative) Kraft.

Tür zu, Smartphone Flugmodus und auch für alle anderen anderen Devices gilt: E-Mail, Messenger und alles, was sonst noch stören könnte, aus! Ja, das fällt sehr schwer, mir auch, aber es muss sein, wenn du dir was Gutes ausdenken willst.

Wenn du schlecht drauf bist, gehe erst einmal eine Runde spazieren oder schau' dir ein paar lustige YouTube Videos an, um auf andere Gedanken zu kommen, denn: "frohsinnige Menschen sind ideenreicher.“ (Zitat: Li´Tai-Po, chin. Schriftsteller (*701 †762)

Außer Ruhe und gute Laune sind viel Papier (ich empfehle einen Stapel DIN A4 Papier), einen weichen Bleistift und einen Anspitzer sind alles, was du jetzt brauchst.

Source: Microsoft

Hör' auf dein neuronales Netz!

Du hast es gut gefüttert, es will dir was sagen, erst leise und wirr, aber es wird mit der Zeit lauter und klarer, lass' es jetzt raus, schreibe und skizziere alles auf. Die Qualität spielt zunächst keine Rolle. Kritik ist hier noch verboten und spare nicht am Papier.

Bleibe geduldig, dein neuronales Netzwerk hat erst vor Kurzem begonnen, an dem Problem zu arbeiten. Setzte es und dich nicht unter Zeitdruck.

Ideen kommen wie Popcorn in der Mikrowelle: Erst passiert gar nichts, dann geht es langsam los, anschließend platzen immer mehr Maiskörner, immer schneller und schließlich hört es langsam wieder auf.

Gehe spielerisch deine Ideensession an. Denke divergent, das heißt, spinne ein bisschen rum, drifte ruhig mal ab, lasse dich auch auf Gedanken ein, die zunächst bizarr erscheinen, aber vergiss nicht diese Gedanken aufzuschreiben und/oder zu skizzieren.

Jeder Gedanke kommt großzügig auf ein DIN A4 Blatt, denn alles, was du mit der Hand zeichnest oder schreibst unterstützt dein Gehirn bei der Arbeit.

Je mehr Ideen du notierst oder skizzierst umso besser. Und, wie gesagt, die Qualität spielt zunächst keine Rolle.

Merke: Qualität braucht Quantität!

Wenn dir nichts mehr einfällt, ist dein „neuronales Popcorn“ vorerst verbraucht und du brauchst eine Pause. Eine schöpferische Pause.

Es ist wichtig, immer mal wieder Abstand zum Problem zu bekommen. Mach irgendetwas anderes. Trinke einen Kaffee; gehe spazieren; spiele ein Game; gehe ins Fitnessstudio; ins Kino oder während der Arbeitszeit: erledige Routineaufgaben.

Du solltest jetzt immer etwas zum Notieren, Skizzieren dabei haben, zur Not dein Smartphone, denn dein neuronales Netz arbeitet unterbewusst weiter. Hat es ein einen neuen Zusammenhang erkannt, hast du plötzlich einen Einfall. Eine Idee.

Source: https://www.musikexpress.de/pipi-kacka-und-faekalhumor-7-gelb-braune-fakten-ueber-notdurft-im-pop-809967/

Source: musikexpress.de Foto: Robert Davidson, Zappa on toilet

Das sind übrigens die berühmten Ideenmomente unter der Dusche oder auf dem Klo, wo scheinbar aus dem nichts der Geistesblitz kommt. Der würde aber nicht kommen, wenn du vorher nicht intensiv am Problem gearbeitet hättest.

Schreibe/skizziere deinen Einfall sofort auf. Das ist sehr wichtig! Denn dein Kurzzeitgedächtnis speichert – wie der Name schon sagt – nur kurze Zeit, danach ist die Idee weg. Für immer.

Nach einer ersten Ideensession und auch während der ersten schöpferischen Pausen kommen selten gute Ideen, deshalb plane mindestens drei solcher Sessions.

Immer: Ideensession. Pause; Ideensession. Pause; Ideensession. Pause. Auch Schlaf ist eine schöpferische Pause.

Abschließend schaust du dir in Ruhe an, was du in dieser Phase produziert hast. Gleiche alle Einfälle mit dem Problem ab. Sei noch nicht zu kritisch. Fokussiere dich weniger auf die negativen Aspekte, suche die positiven. Sortiere deinen kreativen Output anschließend in folgende Kategorien.

  1. Wow! Du bist begeistert.

  2. Bizarr!? Irgendwie gut, du weißt aber nicht warum.

  3. Interessant, aber es fehlt noch was.

  4. Geeignet, aber langweilig.

  5. Weiß nicht?

Plane für diese Phase 20 % deiner Zeit ein – machen wir hier auch mal eine kurze Pause.

Exkurs: Teamwork.

Source: >giphy

Ohne Zweifel, Kooperation ist heute wichtiger denn je. Die Dinge werden komplexer. Zeit und Ressourcen knapper. Allerdings, kreative Teamarbeit ist etwas anderes als Projektarbeit (mehr dazu in der nächsten Vorlesung zum Selbstlesen) und leider zu oft eine Quelle des Mittelmaßes. Auch, wenn man diese Zusammenarbeit “Design-Thinking" oder “agil" nennt.

Die Gründe:

1. Die Teammitglieder/innen sind in der Regel auf gute Stimmung bedacht, niemand will jemanden verärgert oder kompromittieren. In der Konsequenz einigt man sich auf faule Kompromisse.

2. Die Teammitglieder treten im gleichen Brei herum, werden (meist von Wortführern oder Vorgesetzten) gedanklich gleichgeschaltet. Einige schalten geistig ganz ab.

3. Es fehlt an Vorbereitung. Kreativ gearbeitet wird nur während des Meetings. Die Mitglieder/innen füttern vorher nicht ausreichend ihre neuronalen Netze.

Hinzu kommt: Gute Ideen entstehen selten im Kollektiv, weil neuronale Netze jeweils nur in einem Hirn arbeiten. Die gute Nachricht: Gute Ideen können aber kollektiv vorbereitet und ausgearbeitet werden.

So funktioniert kreatives Teamwork:

Jedes Teammitglied arbeitet und denkt unabhängig von den anderen und entwickelt eigene Ideen.

Man trifft sich in Intervallen und bespricht, diskutiert, verbessert.

Die einzelnen Arbeitsergebnisse werden sukzessive in möglichst kurzen (ein bis max. zwei Stunden) Meetings abgestimmt. Konkret:

  • Für Phase 1: Diskussion und Abstimmung des gemeinsamen Zeitplans.

  • Für Phase 2: Diskussion und Abstimmung des gemeinsamen Ziels.

  • Für Phase 3: Diskussion und Abstimmung der gemeinsamen Problemdefinition.

Danach beginnen Phase 4 und Phase 5. (siehe oben). In diesen Phasen arbeitet zunächst jeder allein!

So wird gewährleistet, dass alle (kreativ) Beteiligten ihr Gehirn mit Informationen füttern und die neuronalen Netze aktivieren. Die Grundvoraussetzung für kreativen Output.

Außerdem wird verhindert, dass das Denken der einzelnen Teammitglieder gleichgeschaltet wird und alle im gleichen Saft schmoren, denn das verkleinert den kreativen Output.

Je mehr alleine denken, desto mehr Ideen liegen letztendlich auf dem Tisch. Wie gesagt, Qualität braucht Quantität. Oder: Die Wahrscheinlichkeit einer sehr guten Idee im Team steigt mit der Anzahl der Ideen jedes einzelnen Teammitglieds. Das gilt nicht für Projektarbeit an und für sich, sondern ausschließlich, wenn kreative Arbeitsergebnisse das Ziel sind!

Ab Phase 6. beginnt erneut die gemeinsame Arbeit.

Exkurs kreatives Teamwork Ende.

„Das Schwerste an einer Idee ist nicht, sie zu haben, sondern zu erkennen, ob sie gut ist.” (Chris Howland, Entertainer). Gute Ideen sind oft unscheinbar wie Rohdiamanten, sei deshalb zunächst sehr vorsichtig mit Kritik, spüre die positiven Aspekte auf. (Source: Youtube, Rohdiamant 5,75 Ct).

Phase 6. Ideen (gemeinsam) ausarbeiten.

Gute Ideen kommen oft zunächst recht unscheinbar daher. Wenn aus guten Gedanken, richtig gute Ideen werden sollen, musst sie weiter denken. Wenn du alleine arbeitest, alleine. Wenn du im Team arbeitest, gehst du mit deinen sortierten und konkretisierten Ideen in das Meeting.

Alle Ideen, aus Phase 4, unabhängig von der Kategorie, in der du sie einsortiert hast, sind noch Rohdiamanten, mehr zur erahnen als zu erkennen, ob sie wertvoll sind. In dieser Phase werden sie geschliffen.

Auch hier gilt: zurückziehen, Raum und Zeiträume festlegen, dafür sorgen, ungestört zu sein.

Und dann: Wenn es dir nicht bereits in Phase 5 gelungen ist, helfen die anderen im Team, deine Idee konkreter, klarer zu beschreiben – idealerweise auch zu verbessern. Das gilt selbstverständlich auch umgekehrt beziehungsweise für die Ideen der anderen.

Formuliere jede Idee in wenigen Sätzen. Je weniger desto besser. Und vergiss nicht das Wesentliche: Warum löst die Idee das Problem?

Schreibe erste Headlines und visualisiere Abbildungen mit groben Skizzen oder Moodbildern, das sind Bilder aus Zeitschriften, Magazinen, Pinterest oder anderen Bildarchiven, welche die Atmosphäre bzw. die Stimmung, den Stil deiner Idee unterstützen. Dann kannst du, könnt ihr die Ideen besser vergleichen und beurteilen.

Sei in dieser Phase aber noch nicht zu kritisch, wie in Phase 5 auch spüre vor allem die positiven Aspekte auf.











Beispiele Scribble & Moodboard. Source: Pinterest

Phase 7. Ideen bewerten

Bisher war vor allem divergentes (auf deutsch auseinanderstrebendes) Denken von Bedeutung. In den Phasen 5 und 6 ist es wichtig spielerisch, assoziativ und auch mal vom Thema abweichend zu denken, Gedankensprünge und Widersprüche zuzulassen.

Kritische Einwände sollten vermieden werden, denn verfrühte Kritik verhindert originelle und damit kreative Lösungen.

Ab Phase 7 musst du jedoch deine Denkrichtung ändern, jetzt ist das Denken gefragt, das man im Allgemeinen Wissenschaftlern oder Ingenieuren, aber weniger kreativen Menschen zuschreibt: das konvergente beziehungsweise übereinstimmende Denken.

Dabei geht es darum die Arbeiten logisch rational zu betrachten und zu beurteilen, ab hier sind auch kritische Einwände erlaubt, aber bleibe konstruktiv, argumentiere möglichst mit dem Ziel das Ergebnis – stets mit Blick auf die beste Lösung für das Ausgangsproblem – zu verbessern.

Erst wenn das nicht mehr möglich ist, gehört die Idee in den Papierkorb.

Eine kleine Hilfestellung. Arbeite diese Checkliste durch und beantworte folgende Fragen:

  • Hilft die Idee das Ziel zu erreichen?

  • Ist die Idee einleuchtend/nachvollziehbar?

  • Ist sie schnell?

  • Passt die Idee zum Auftrageger/zur Organisation/zum Unternehmen/zur Marke?

  • Ist sie nützlich? Wichtig/relevant?

  • Wie wirkt die Idee im Vergleich zum Wettbewerb?

  • Differenziert sie?

  • Welche Schwächen hat die Idee?

  • Wie lassen sie sich verhindern oder minimieren?

  • Ist sie realisierbar? Kann sich der Auftraggeber diese Idee leisten?

  • Last, but not least, die wichtigste Frage: Ist die Idee überraschend (= neu, originell = kreativ) und überzeugend (= löst sie das Problem)?

Entscheidend ist an dieser Stelle: Du musst selbst überzeugt sein und die Idee akzeptieren. Mehr noch, du musst davon überzeugt sein und sie vertreten können.

Merke: Wer nicht selbst von seiner Arbeit überzeugt ist, darf nicht erwarten, andere davon zu überzeugen.

Falls das nicht der Fall ist, bist du mit deiner kreativen Arbeit noch nicht fertig.

Plane für diese Phase 10% intensive Arbeitszeit.

Plus einem Sicherheit-Zeitpuffer, falls noch kein gutes = kreatives Ergebnis erarbeitet worden ist.

Phase 8: Prototyping

In dieser Phase geht es darum, die ausgewählten besten Ideen auszuprobieren und zu testen. Kurz: Noch besser zu machen.

Optimiere das Moodbord, baue ein erstes grobes Layout, Mock-Ups, Klick-Dummys oder Beta Versionen und spreche/diskutiere über deine Ideen mit den Menschen, die du mit deiner Idee erreichen möchtest.

Fordere sie zum „lauten denken" auf, damit du erfährst, wie sie auf deine Idee reagieren beziehungsweise mit ihr interagieren. So erfährst du Aspekte, an die du vielleicht noch nicht gedacht hast.

Nutze diese Informationen um deine Idee zu verbessern. Bleibe aber kritisch und vorsichtig, denn die meisten Menschen bevorzugen Dinge/Lösungen, die sie kennen.

Auch dafür ist das Gehirn verantwortlich, denn es stellt sich nur ungern auf Neues ein, setzt deshalb lieber auf Bewährtes und Gewohntes, um Risiken zu vermeiden oder um Energie zu sparen. Das gilt vor allem in einer Laborsituation, bei spontanen Umfragen beziehungsweise einer Marktforschung. Die Reaktion im „richtigen Leben" kann ganz anders ausfallen.

Letztendlich bist du der/die Kreative und damit dafür verantwortlich das Neues in die Welt kommt. Wie willst du Menschen überraschen und damit erreichen, wenn du nur Bewährtes und Gewohntes lieferst!?

Plane für diese Phase 10 % intensives Arbeiten.

Phase 9: die formale Gestaltung

Deine beste Idee wird anschließend formal als Layout gestaltet. Entweder in einem oder in mehreren Medien. Lasse dich bei der Gestaltung von deiner Idee leiten. Auch die Medienauswahl sollte eine Konsequenz deiner Idee sein.

Plane für diese Phase 10 % deiner Zeit, wenn du alleine arbeitest. Wenn du aufs Prototyping/Testing verzichtest, kannst du diese Zeit für die formale Ausgestaltung nutzen.

Wenn du im Team arbeitest, könnt ihr die Arbeit aufteilen und parallel arbeiten, das gilt auch für Phase 10.

Phase 10: präsentieren oder Ideen durchsetzen.

Wird deine Idee von deinem Auftraggeber nicht gekauft, war die gesamte Arbeit umsonst, deshalb solltest du die Argumentation für deine Idee/Problemlösung beziehungsweise die Präsentation – man könnte auch sagen den Verkauf des Produkts deiner kreativen Arbeit – nicht auf die leichte Schulter nehmen und auf „letzter Minute“ irgendwas irgendwie zusammendengeln.

Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht oder: ja, aber!?

Innovative Lösungen beziehungsweise kreative Ideen werden selten mit offenen Armen aufgenommen. Neue Ideen werden zwar oft gefordert, aber selten angenommen und gekauft.

Denn Neues hat sich noch nicht bewährt und ist deshalb ein Risiko, nicht nur fürs Geschäft, vor allem auch für Karrieren.

Aufgabe + Problem + Ziel + Weg + Hindernisse + Idee/Lösung + Argumente + Gestaltung = Präsentation

Im Wesentlichen kommt es darauf an, dass du den Nutzen (die Lösung des Problems deines Auftraggebers) in deiner Präsentation deutlich herausarbeitest.

Wenn du viele gute Argumente hast, hebe dir das Beste für den Schluss auf. Schwache Argumente lässt du am Besten ganz weg, denn deine Argumentationskette ist nur so stark, wie das schwächste Glied, denn darauf werden sich die Kritiker stürzen.

Wichtig sind vor allem Antworten auf folgende Fragen:

  • Was leistet die Idee und warum?

  • Welche Vorteile ergeben sich daraus, wenn die Idee umgesetzt wird?

  • Welche Nachteile, wenn alles so gemacht wird wie üblich

​Auch Ideen brauchen Werbung.

Keine Idee, vor allem keine neue, ungewöhnliche, kreative Idee, setzt sich von alleine durch.

Sie braucht Unterstützer/innen.

Kannst du diejenigen nicht dafür gewinnen, auf die es anbekommt, kann deine Idee noch so gut sein, sie wird vergessen. –

Plane für diese Phase 10 % fokussiertes Arbeiten ein.

Noch eine wichtige Anmerkung zum Schluss:

Das alles mag beim ersten Lesen kompliziert klingen, ist aber eine Beschreibung, wie außergewöhnlich talentierte, kreative Menschen intuitiv arbeiten.

Leider sind die wenigsten Menschen kreativ hochbegabt (ich gehöre auch dazu) und da hilft es, sich das Prinzip der kreativen Arbeit (die Betonung liegt auf Arbeit) bewusst zu machen und danach zu handeln.

Keine Angst, bei konsequenter Anwendung wird es nicht lange dauern, dann geht dir dieses Prinzip bzw. die 10 Phasen in Fleisch und Blut über und du wirst keine Anleitung mehr brauchen, sondern auch intuitiv kreativ auf hohem Niveau arbeiten. –

Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit.

Mehr zu den Themen “Idee" und "Kreativität" > Lecture 7

© Prof. Richard Jung

Hier noch einige Beispiele für die Transformation von Information in eine gute Idee/Botschaft (= das Prinzip "Kommunikationsdesign")

The Tampon Book Agentur: Scholz & Friends, Auftraggeber: The Female Company

Information:

Es ist eigentlich ein Unding, dass Tampons höher besteuert werden als beispielsweise Kaviar oder andere Luxusprodukte. Auch Bücher werden nur mit 7 statt 10 Prozent besteuert.

Idee/Botschaft: Ein Buch, das gleichzeitig eine Verpackung für Bio-Tampons des Berliner Start-Ups 'The Female Company' ist und darüber hinaus geschlechterspezifische Ungerechtigkeit entlarvt und thematisiert.

Design your time

Agentur: Leo Burnett Germany, Auftraggeber: Samsung

Information:

Smartwatches im Allgemeinen erweitern die Möglichkeiten des Smartphone. Das Besondere der Samsung Gear S3 ist die schnelle, unkomplizierte und grenzenlose Individualisierbarkeit des Aussehens.

Idee/Botschaft: Lebenszeit ist kostbar, man sollte sie gut nutze. Vor allem aber ist sie relativ und deshalb etwas ganz persönliches, denn der Sinn eines Zeiteinsatzes liegt im Auge des Betrachters: Zeig der Welt, wie du deine Zeit nutzt! Mit der Samsung Gear. "Design your time" .

1311 What#s Happening

Agentur: Twitter (AD, Jayanta Jenkins), Auftraggeber: Twitter

Information:

Im Gegensatz zu anderen sozialen Medien setzt Twitter weniger auf private Mitteilungen der User, sondern auf Microblogging, auf spontane Reaktionen auf aktuelle Geschehnisse. Twitter nutze als erstes soziales Medium den Hashtag, ein einzigartiges Sprachwerkzeug, das die globale Kommunikation revolutionierte, weil es die Gruppierung von Themen ermöglichte.

Idee/Botschaft:

Wir zeigen der Welt eindrucksvoll (vor allem denen, die Twitter (noch) nicht kennen, deshalb nutzen wir ein klassisches, analoges Medium) das Twitter sehr viel mehr ist als nur ein soziales Netzwerk: Twitter ist ein Nachrichtendienst und hat gesellschaftliche, kulturelle und politische Bedeutung. Das Symbol dafür ist der Hashtag.


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